Kein Sand mehr wie Sand am Meer
von Hanns-J. Neubert (Kommentare: 0)
Bei einem Strandausflug des RADO-Workshops nach Usedom im April 2017 zeigte der Geologe Klaus Schwarzer von der Universität Kiel den Teilnehmern eindrucksvoll, wie wichtig die Strände und die Sandlager am Meeresboden vor der Küste für den Schutz des Landes sind. Die natürlichen Dünen sind die wohl wichtigsten Schutzwälle. Woanders sollen Buhnen und Wellenbrecher die Meeresströmungen so weit beruhigen, dass sich der mitgeführte Sand absetzen kann und so die Ufer stabilisiert. Sandförderung vom Meeresboden im großen Stil ist ein Tabu – besonders die kommerzielle Gewinnung.
Kaum glaublich, aber der Sand wird wirklich knapp. Schuld daran ist der weltweite Bauboom. Der Stahlbeton der Gebäude besteht zu zwei Dritteln aus Sand – und zwei Drittel aller Bauwerke auf der Erde sind Stahlbetonkonstruktionen. Für den Sandhunger der schnell wachsenden Städte – vor allem in Asien – müssen jährlich 15 Milliarden Tonnen Sand aus Flussbetten und vom küstennahen Meeresgrund gefördert werden.
So hat das Wüstenemirat Dubai all seinen Strand- und Küstensand zur Aufschüttung der künstlichen Inseln „The Palm“ und „The World“ verbraucht. Schon für Burj Khalifa, das mit 830 Metern höchste Gebäude der Welt, musste das Emirat seinen Bausand ironischerweise importieren – aus Australien.
Wüstensand, den es in Arabien reichlich gibt, eignet sich nämlich weder für künstliche Inseln noch für Beton. Der Wind hat die winzigen Körner über die Jahrtausende hinweg so glatt geschliffen, dass sie sich nicht ineinander verkeilen.
Gigantische Baupläne hat auch Singapur, das sein Staatsgebiet in den vergangenen 40 Jahren durch Sandaufschüttungen um 20 Prozent vergrößerte. Jetzt baut es nationale Sand- und Kiesreserven zu Lasten der Urlaubsstrände von Malaysia, Indonesien, Kambodscha und Vietnam auf. Oft illegal, denn diese Länder haben den Export von Sand bereits stark begrenzt oder sogar ganz verboten. So boomt der Sandschmuggel und mit ihm eine weltweit agierende Mafia mit guten Verbindungen zu Polizei und Regierungsbehörden.
In Marokko führt der Sandraub von den Touristenstränden dazu, dass Neubauten tickende Zeitbomben sind. Der Sand, von Räubern in Säcke geschaufelt, von Hehlern an Baufirmen verscherbelt, wird ungewaschen verbaut. Salzhaltiger Sand macht Beton aber brüchig und korrodiert die Eisenarmierung. Die damit gebauten Hotels dürften eher früher als später zusammenfallen.
Deutschland deckt seinen Bedarf von jährlich um die 300 Millionen Tonnen Sand noch aus eigenen Sandgruben. Doch in Norddeutschland wird es schon knapp. So werden die Sandgründe vor allem auch in der Nordsee zunehmend zum Ziel von Sandbaggerschiffen. Aus Küsten- und Naturschutzgründen müssen sie allerdings 20 Kilometer von der Küste entfernt und in Wassertiefen von unter 20 Metern liegen.
Am Strand von Usedom erscheint es einem kaum vorstellbar, dass Sand je eine seltene, teure, endliche Ressource sein könnte.